THE DOWN SIDE (1)



Ich liebe es, ein Kreativling zu sein. Ich designe, ich schreibe, ich arbeite mit Menschen, die ich mag und fange tatsächlich gerade an, Geld mit dem zu verdienen, das mir Spaß macht. Perfekt, oder? Naja, meistens jedenfalls. Aber es gibt einzelne Individuen, die Fehler in allem finden.
In jedem Scheiß.
autor: KATJA


Während der letzten drei Jahre konnte ich meine Marke MABLE auf einigen Messen, Marketplaces, Modefestivals und Laufstegshows vorstellen. Das Feedback, das ich bekomme, ist wirklich großartig. So viele Menschen unterstützen mich auf Social Media, sparen wirklich eisern, um sich ein Teil bei mir zu leisten.
Weil sie an das, was ich mache, glauben.
Weil sie mich als kreativer Mensch unterstützen.
Weil sie wissen, wie hart es sein kann, wenn mal wieder ein Monat ohne einen einzigen Verkauf verstreicht, du aber Miete zahlen musst.
Zum Beispiel Tanja. Sie ist Gründerin der Plus Size Fashion Days, die ein Mal im Jahr in Hamburg stattfinden. sie gibt Coaching Seminare über Selbstliebe und schreibt einen inspirierenden Blog. Kurz: Sie war die Person, die ich ansprechen musste, als ich 2015 mit meiner ersten kommerziellen Kollektion gestartet bin.
Ich bin in „sozialen Situationen“ manchmal ein bisschen unbeholfen. Auf Menschen zuzugehen und zu sagen: „Hi! Das bin ich, das mache ich, was denkst du so davon? Wollen wir was zusammen erarbeiten?“ versetzt mich in leichte Panik.
Ich vertausche Wörter, stelle unpassende Fragen, nervöse Stille nach dem Ende eines Themas – du verstehst, worauf ich hinaus will.
Auf der Messe, auf der ich Tanja zum ersten Mal in Persona gesehen habe, habe ich sie erstmal eine Stunde gestalkt und musste wirklich meinen Mut zusammenkratzen, um meinen Mund ihr gegenüber aufzubekommen.
Irgendwann setzte sie sich für eine Pause hin und wie ein kleiner Löwe, der sein Opfer ausgespäht hat, griff ich also an. Sehr schnell sprechend zeigte ich ihr das Lookbook der ersten Kollektion in meinem sehr gelben Outfit, das ich damals trug und wartete eigentlich darauf, dass sie mir sagte, dass das zwar alles ganz hübsch ist und so, aber nicht ihres.
Das ist nie passiert.
Stattdessen lud sie mich ein an der Ausschreibung des Best Young Designer Awards der Plus Size Fashion Days teilzunehmen, entwarf eine Mini-Kollektion mit mir und stellte mich vielen wahnsinnig tollen Personen vor.

Manchmal kommen sie an einem meiner Stände auf Märkten vorbei.
Manchmal sind es Blogger mit mega vielen Followern und einer sehr speziellen Sicht auf Mode.
Als sich Tanja entschied, einen Marketplace in die Plus Size Fashion Days zu integrieren, sodass die Besucher den Runway direkt shoppen können, war ich direkt dabei. Ich hatte bis zu diesem Zeitpunkt noch nie persönlichen Kontakt zu meinen Onlineshop – Kunden und war ziemlich aufgeregt (und etwas angegruselt, weil: OMG echte Menschen!).
Als die Türen sich öffneten, dauerte es nicht lange bis eine junge Frau in Begleitung einer Verwandten bei mir landete. Sie hatte sich in eines meiner Kleider verguckt. Sie probierte es an, dachte schon darüber nach, es sich selbst zu Weihnachten zu schenken, als ihre Begleitung nach dem genauen Preis fragte. Als ich es ihr sagte (es waren knapp 300€), griff sich die ältere Dame mit einem erschrockenen Keuchen ans Herz.



Das ist vielleicht die Art und Weise, wie die Dame mit Stresssituationen umgeht, hörte aber da nicht auf. Sie erklärte mir in Oberlehrer – Manier, was verändert werden müsste, um vielleicht, aber auch nur vielleicht, den Preis zu rechtfertigen. Wären nur die Taschen schmaler, die Ärmel länger, der Stoff weicher oder der Schnitt in der Taille ein kleiiiiin wenig enger. Also kurz gesagt: könnte sie ihr eigenes Kleid entwerfen, könnte sie sich vielleicht herablassen, so viel für ein Kleid zu zahlen. Aber wirklich nur vielleicht.
das ist, was ich mache. Ich entwerfe Kleider, wie ICH sie mag und wie ich sie nirgends sonst finden kann. Vor allem in Plusgrößen. Und wenn ich das gemacht habe, dann hänge ich es auf einen hübschen Bügel und sage: „Hey, hier ist ein Stückchen von mir, ein Stück mit Herzblut und ein Stück harter Arbeit – und verdammt nochmal ein halbes Vermögen wert!“
Die junge Frau fing gerade an, sich in ein Stückchen meines kleinen Herzchens zu verlieben. Sie hat das Kleid nie gekauft, sah auch recht bedröppelt aus und hätte wohl jedes Mal ein komisches Gefühl, wenn sie es getragen hätte. Was ich nicht gewollt hätte, also war es wohl besser so.
Nachdem die beiden weiter gezogen waren, hat mich das Thema noch eine Weile beschäftigt.
Hatte die ältere Frau vielleicht recht?
War es anmaßend von mir, fast 300€ für ein Kleid zu verlangen? Vielleicht sollte ich froh sein, überhaupt etwas zu verkaufen und daher meine Produkte zum Materialwert anbieten?

Meine Arbeit hat ihren Wert.
Meine Arbeit ist einzigartig.
Die Preise kommen nicht von irgendwo her, sie decken nicht nur Material und Fertigung ab, sondern auch Model, Fotograf, Website und natürlich auch das Büro. Nicht zu vergessen, mich. So ein kreatives Hirn futtert ganz schön was weg. Dazu mache ich das nicht aus Jux und Tollerei in meiner Freizeit. Ich habe einen Bachelor in Fashion Design und konnte bereits viele Menschen sehr glücklich machen, die bei der Nennung der Preise keinen Herzanfall hatten.
Es ist ziemlich fies, solche unreflektierten Kommentare über sich ergehen lassen zu müssen.
Hundert Menschen können lieben, was du tust. Und eine Person kann dich dazu bringen, alles, für das du stehst und hart gearbeitet hast, in Frage zu stellen.

wurde ich als Best Young Designer mit einem Award ausgezeichnet und dachte mir:
Da hast dus, komische ältere Verwandte einer potenziell wunderbaren neuen Kundin – du hast deine Enkelin nicht nur um ein Designerstück gebracht, du hast sie um
gebracht.

DAS mableMAG IST DA, UM DICH ZU INSPIRIEREN

Designerin und Stylistin bei mable. Ich liebe es, ausgefallene Teile mit tollen Basics zu kombinieren und damit einen ganz eigenen Look zu schaffen.
In meiner Freizeit lese ich wahnsinnig gerne, backe und koche viel und suche online nach den neuesten Schuhtrends!